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Dr. Michael Reinhard

Leiter Altlasten und Flächenrecycling

Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) sind eine Stoffgruppe von mehreren Tausenden persistenten, teilweise bioakkumulativen und toxischen Verbindungen, die in vielen Verbrauchs- und Industrieprodukten enthalten sind. Ihr Austrag in die Umwelt birgt erhebliche gesundheitliche Risiken. Aus diesem Grund sind einige PFAS-Einzelstoffe inzwischen verboten. Im Jahr 2023 haben Deutschland, Dänemark, die Niederlande, Norwegen und Schweden beantragt, den Einsatz der gesamten Stoffgruppe EU-weit zu verbieten.

Einsatz von PFAS in Verbrauchs- und Industrieprodukten 

PFAS waren seit den 1960er Jahren wegen ihrer physikalischen Eigenschaften in vielen Industriebereichen beliebte Einsatzstoffe. Man konnte mit ihnen wasser- und fettabweisende Beschichtungen produzieren, bei flüssigen Medien die Benetzung auf festen Oberflächen erhöhen und feuerbeständigen Löschschaum herstellen. Sie waren und sind noch in vielen Produkten und industriellen Prozessen zu finden. Die Einsatzbereiche reichen von Oberflächenbeschichtungen für Textilien, Leder und Papieren über Zusatzstoffe in Reinigungsmitteln, Lacken, Farben und Galvanikflüssigkeiten bis hin zu Feuerlöschschäumen.

 

Forever Chemicals (Ewigkeitschemikalien)

Die speziellen Eigenschaften der organischen Kohlenstoff-Fluor-Verbindungen der PFAS resultieren im Wesentlichen aus ihrer chemischen Struktur: Die Wasserstoffatome einer Kohlenstoffkette sind hier vollständig (perfluoriert) oder teilweise (polyfluoriert) durch Fluoratome ersetzt. Zwischen den C und F Atomen besteht eine sehr hohe Bindungsenergie, die die Stoffe biologisch, chemisch und thermisch außerordentlich stabil (persistent) machen. Auf einer Fläche miteinander verbunden, wirken sie wasser- und fettabweisend. Als gelöste Stoffe sind sie oberflächenaktiv und haben als Tenside „seifenähnliche“ Eigenschaften (z.B. um Schaum herzustellen). Doch genau das, was sie für ihre Anwendungsbreite und positiven Produkteigenschaften auszeichnet, führt zu erheblichen Umweltproblemen und damit zu kontroversen Diskussionen über ihren weiteren Einsatz.

Die toxischen PFAS-Verbindungen sind in der Umwelt sehr mobil und gleichzeitig unter natürlichen Bedingungen nicht zerstörbar. Dies wäre zunächst nur „lästig“, wenn sie sich darüber hinaus nicht anreichern und auf den menschlichen Organismus toxisch wirken würden. Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass sie krebserzeugend sind. Sie beeinflussen den Hormonhaushalt des Menschen und schwächen das Immunsystem. Diese Mischung der Stoffeigenschaften und der toxischen Wirkungen machen die PFAS als „Forever Chemicals“ (Ewigkeitschemikalien) so gefährlich.  

 

Erhebliche Schadensbilanzen

Welche Brisanz das Thema PFAS entwickeln kann, zeigen zurückliegende Schadensfälle wie die in der Region Mittelbaden und Mannheim. Hier erfolgte mutmaßlich ein Auftrag von einem mit Papierschlamm versetzten Kompost auf Ackerflächen. Mehr als 1.500 Hektar Ackerfläche sind mit weitreichenden Folgen belastet. Über Regenwasser sickert das PFAS aus dem kontaminierten Boden in das Grundwasser und verunreinigt dies. Dies verursacht vielfältige, technisch und wirtschaftlich sehr aufwändige Maßnahmen der Wasserversorger zur Gewährleistung der sicheren Trinkwasserversorgung. Durch den Austrag der PFAS in das Grundwasser gehen die Wasserversorger in Mittelbaden inzwischen von einem belasteten Grundwasserkörper unter mehr als 50 Quadratkilometern Fläche aus. Auch die landwirtschaftliche Nutzung ist stark eingeschränkt. Die Geschichte der Belastung beschreibt anschaulich die Broschüre „Das PFAS-Dilemma“.

 

PFAS in Löschschäumen

Neben PFAS-belasteten Abfällen zählen Löschschäume zu den wahrscheinlich häufigsten Verursachern von Grundwasserschadensfällen. So genannte AFFF – filmbildende Schaummittel, die in früheren Zeiten oft die Komponenten PFOS (Perfluoroktansulfonsäure) und PFOA (Perfluoroktansäure) enthielten – waren für eine effektive Brandbekämpfung bei Flüssigkeitsbränden insbesondere auf Flughäfen, in Raffinerien und industriellen Produktionen über lange Zeit die optimale Lösung. Auch bei Großbränden setzten die Feuerwehren Löschschaume ein. Die Löschschäume bzw. die Löschschaumwässer sickerten in den Boden ein, die PFAS gelangen über Niederschlagswässer in das Grundwasser und verursachen dort große Grundwasserschäden. Die meisten Flughäfen betreiben inzwischen Grundwassersanierungen, um das Ausbreiten der PFAS durch abströmendes Grundwasser zu verhindern.

 

PFAS im Boden- und Grundwasser

Neben den gesetzlichen Regelungen zum Verbot der PFAS ist die genaue Betrachtung historischer Schäden, die insbesondere aus dem bisherigen Einsatz von AFFF-Produkten resultieren, weiterhin eine dringend notwendige Maßnahme zur Reduzierung von PFAS-Emissionen. Aber auch wirtschaftliche Risiken spielen eine große Rolle. Für PFAS-haltigen Aushub gibt es kaum Entsorgungsmöglichkeiten und die Entsorgung ist mit erheblichen Kosten verbunden. Deshalb ist eine solide Informationsbasis über PFAS-Verunreinigungen vor Immobilientransfers oder vor Abschluss der Bauleitplanung erforderlich, um spätere unliebsame Überraschungen zu vermeiden. Ist eine PFAS-Verunreinigung vorher bekannt, gibt es Möglichkeiten, dies in der Planung zu berücksichtigen und den wirtschaftlichen Rahmen einzuhalten. Lösungen können hier zum Beispiel Bodenmanagement und entsprechende Sicherungskonzepte sein.

Eine frühzeitige Erkundung und Risikobewertung sind bei den Altlastenerkundungen ebenso wichtig wie die zügige Umsetzung geeigneter Sanierungsmaßnahmen. Dadurch wird es möglich, eine weitere Ausbreitung der Schadstoffe und die daraus oftmals folgende Beeinträchtigung der Trinkwassergewinnung zu verhindern. Schließlich lassen sich damit auch die Sanierungskosten minimieren. Zu beachten ist dabei, dass es bei einer routinemäßigen Analyse des Rohwassers auf PFAS nur mit den gängigen genormten Verfahren zu einer Unterschätzung des Gefährdungspotentials kommen kann. Eine umfassende Beurteilung erlaubt erst die TOP Analytik (Total Oxidizable Precursor).

Für die Sanierung stehen momentan folgende erprobte Verfahren zur Auswahl:

  • Förderung und Reinigung des Grundwassers über Aktivkohle (Pump-and-Treat-Verfahren)
  • Bodenaustausch
  • Bodensicherung

Es gibt jedoch für die Reinigung von belastetem Grundwasser und von Boden in der der jüngsten Vergangenheit vielversprechende Ansätze mit neuen Verfahren und methodischen Ansätzen. Beispiele sind das Forschungsprojekt „PFClean“ und das Forschungsprojekt „Immobilisierung PFAS-belasteter Böden".

 

Arbeitshilfe zum Sanierungsmanagement für lokale und flächenhafte PFAS-Kontaminationen

Unter unserer Federführung entstand im Auftrag des Umweltbundesamtes eine Arbeitshilfe zur Bearbeitung von PFAS-Altlasten und den daraus resultierenden, schädlichen Bodenveränderungen: Umweltbundesamt Abschlussbericht „Sanierungsmanagement für lokale und flächenhafte PFAS-Kontaminationen“

Zudem wurde ein weiterer Expertenbericht für das Bundesamt für Umwelt (BAFU) in der Schweiz verfasst: Entscheidungsgrundlagen für den Vollzug bei PFAS-belasteten Standorten in der Schweiz

In diese Arbeitshilfen sind die nationalen und internationalen Erfahrungen mit PFAS-Verunreinigungen eingeflossen. Die Erfahrungen wachsen von Projekt zu Projekt und wir teilen diese in regelmäßigen PFAS Online-Events (Registrierung per Email an den Autor) und in Vorträgen auf Fachtagungen.


Unsere PFAS Expert*innen in den Medien