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Olaf Dünger

Senior Projektmanager

Über das Nachhaltigkeitspotenzial der DIN SPEC 91484

Schwarmintelligenz war in der Vergangenheit vielleicht ein etwas überstrapaziertes Modewort – aber im Rückblick auf die gemeinsame Arbeit an der neuen DIN SPEC muss ich sagen: Sie existiert und sie funktioniert. Was da aus den verschiedensten Kompetenzbereichen eingeflossen und in ein harmonisches Gesamtpaket verwandelt wurde, ist beeindruckend und überzeugend. SPECtakulär sozusagen. Und als Planer, Berater und Schadstoffexperte viele Jahre Erfahrung in einen solchen Prozess mit einbringen zu können, war für mich auch ein ganz persönliches professionelles Highlight. Aber der Reihe nach – worum geht es?

Die Baubranche gehört zu den weltweit größten CO2-Emittenten. Anders und positiver formuliert: Sie gehört zu den Sektoren mit den größten CO2-Einsparpotenzialen. Bei diesem Thema denken die meisten spontan zuerst an exzellente Dämmwerte, regenerative Energiequellen, intelligente Gebäudesteuerung und nachhaltige Heizsysteme. Alles richtig. Aber mit präzisem Blick auf alle Details der Lebenszyklusphasen von Bauwerken ist da noch viel mehr drin. Zum Beispiel bei Rückbau-, Umbau- und Modernisierungsprojekten.

Die Nachhaltigkeitsbilanz von Immobilien-Assets hängt auch von der Wiederverwendungsbilanz bei solchen Vorhaben ab. Dabei gilt der Grundsatz: direkte Wiederverwendung vor Weiterverwendung nach einem Aufbereitungsprozess, Recycling vor Deponierung. Die Herstellung neuer Baustoffe ist extrem ressourcen- und energieintensiv, oft auch umweltbelastend. Je mehr bereits eingesetzte Materialien und Bauteile nach Rück- oder Umbau tatsächlich wieder ihre ursprünglichen Zwecke erfüllen, umso näher kommen wir dem Ideal der Kreislaufwirtschaft. Je besser die Klimabilanz von Portfolios, desto höher ihr Wert und desto sicherer die Einhaltung der zunehmend strengen gesetzlichen Anforderungen.

Um diese Potenziale der hochwertigen Anschlussnutzung voll auszuschöpfen, braucht es standardisierte Prozesse, Verfahren und Systeme, die das Beste an Erfahrungen und Expertisen vereinen, was die beteiligten Planer, Berater*innen und Entscheidungsträger*innen in diesem Arbeitsfeld in den letzten Jahrzehnten zusammengetragen haben. So wie bei der jüngst veröffentlichten DIN SPEC 91484, mit der Projektverantwortliche endlich einen soliden und detaillierten Leitfaden zur Erfassung von Bauprodukten erhalten, mit dem sie gesetzlichen Anforderungen genügen und ihre ambitionierten Nachhaltigkeitsziele erreichen können.


DIN SPEC 91484 und „Pre-Demolition-Audits“: Ein Überblick


Was liefert die neue DIN SPEC? Sie definiert Standards für die systematische Erfassung von Bauprodukten, um eine hochwertige Anschlussnutzung abzusichern. Sie legt zu erhebende Informationen zum Bauwerk und zu den Bauprodukten fest, die allen Beteiligten einen reibungslosen Austausch mit maximaler Kompatibilität ermöglichen. Dabei folgt jeder Schritt dem Grundprinzip und Ziel, die höchstwertige mögliche Folgenutzung für jedes Bauteil vorzubereiten und zu gewährleisten.

Gesammelt und aggregiert werden all diese Informationen und Analyseergebnisse in einem „Pre-Demolition-Audit“, das in der Umsetzungsphase als digitales Nachschlagewerk allen beteiligten Akteuren zur Verfügung steht. Die Durchführung des Pre-Domolition-Audits ist zweistufig vorgesehen, die erste Stufe der Vorprüfung dient dabei zu einem frühen Projektzeitpunkt der Orientierung, ergänzt durch eine Detailprüfung mit einer detaillierten Erfassung und Dokumentation zu den einzelnen Bauprodukten.

Die neue Norm bietet Unternehmen und politischen Entscheidungsträgern einen klar definierten Handlungsrahmen. Sie schafft die Grundlage, Verteilungskriterien für Fördermittel und den Zugang zu Green Finance transparenter zu machen. Sie ist auch und vor allem frei skalierbar in der Anwendung für einzelne Standorte oder ganze Immobilien-Portfolios. Insofern schließt sie einen substanziellen „Missing Link“ im nachhaltigen Lebenszyklus von Assets: Mit der Integration der Daten aus den Pre-Demolition-Audits in die existierenden BIM-Plattformen wird die Voraussetzung geschaffen für eine komplett digitalisierte und an der Optimierung der CO2-Bilanz ausgerichteten Kreislaufwirtschaft in der Immobilienbranche.

Die hohe Qualität und Detailtiefe der neuen DIN SPEC ist Ergebnis und Erfolg eines beeindruckenden, interdisziplinären Teams, das die verschiedensten Kompetenzen in einen Topf warf, um das bestmögliche Ergebnis zu erreichen: Universitäten, spezialisierte Anwaltskanzleien, Ingenieur*innen, Bau- und Abbruchunternehmen, Immoblienentwickler, Architekt*innen, Gutachter*innen, Planer*innen und Berater*innen. Geleitet wurde das Konsortium von Concular – einem Unternehmen, dass sich in den zehn Jahren seit seiner Gründung zum Top Player für zirkuläre Bauwirtschaft entwickelt hat.

Mein Fazit: Die DIN SPEC 91484 ist eine echte Erfolgsgeschichte – nicht nur in Bezug auf einen nachhaltigen und klimafreundliche Bausektor. Ihre Entstehungsgeschichte belegt auch das Potenzial fachübergreifender Kooperation, wenn es um die ganz großen aktuellen Herausforderungen geht. Insofern sollten wir uns bei der Schwarmintelligenz nicht um die Frage kümmern, ob der Begriff noch zeitgemäß ist. Wir sollten sie einfach nutzen.

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Olaf Dünger

Senior Projektmanager