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Martin Kessel

Senior Project Manager

Die aktuelle VDI-Richtlinie reaktiviert das Problembewusstsein

Wenn ich heute in meinem persönlichen Umfeld Menschen frage, was ihnen zum Thema Asbest einfällt, zucken die meisten Jüngeren mit den Schultern. Und viele Ältere erinnern sich daran, dass es da vor vielen Jahren mal eine öffentliche Diskussion um das Thema gab, aber das Problem inzwischen ja wohl gelöst sei. Nun – das Problem ist nicht gelöst, und die Neigung der Menschen, die Marathonläufer unter den Herausforderungen in ihrer Prioritätenliste immer dem tagesaktuellen Geschehen unterzuordnen, kann lebensgefährliche Folgen haben.

Nach aktuellen Angaben der EU-Kommission sterben in Deutschland jährlich über 16.000 Menschen an asbestbedingten Erkrankungen - 5 bis 6mal so viele, wie durch Verkehrsunfälle ums Leben kommen. Rund 75% aller Gebäude, die vor 1993 gebaut oder saniert wurden, enthalten die gefährlichen Mineralfasern. In dieser Bauwerksgeneration ist die Belastung also nicht der Sonder-, sondern der Regelfall. Und diese Gefahr schlummert mitnichten nur in den weithin bekannten Wellasbest-Dacheindeckungen. Sie kann in Fliesenklebern, Spachtelmassen und Putzen lauern und beim Bohren, Schleifen und Abstemmen ihre desaströse Wirkung entfalten.

Die Zeiten der Improvisation im Umgang mit dieser Herausforderung sind glücklicherweise vorbei, und es war und ist für mich persönlich sehr bereichernd, über viele Jahre aktiv an der Systematisierung, Strukturierung und Standardisierung der Prozesse im Umgang mit Asbest mitzuwirken. Der professionelle Umgang mit dem Risiko Asbest rettet Leben. Es sollte so selbstverständlich sein wie die Nutzung des Sicherheitsgurtes im Auto oder Impfungen gegen Infektionskrankheiten. Im Umgang mit Bauwerken und technischen Anlagen verdient das Thema die gleiche Aufmerksamkeit wie die Berechnung einer soliden Statik – kein „nice-to-have“ sondern ein „must-have“.

Qualitätsstandards sind dabei ein extrem wichtiges Thema für die vielen Tausend Fachplaner, Gutachter, Architekten, Bauunternehmen, Eigentümer, Mieter, Nutzer und Entscheidungsträger, die tagtäglich mit Umbau, Sanierung und Modernisierung im Bestand oder dem Rückbau von Gebäuden zu tun haben. Wir sind als Redaktionsteam der aktuell als Weissdruck veröffentlichten VDI-Richtlinie für die Erkundung und Bewertung asbestbelasteter Bauwerke und technischer Anlagen stolz darauf, den Praktikern eine weitere notwendige Handreichung geben zu können. Der Sinn jeder Schutz- und Präventionsmaßnahmen basiert auf der Qualität und Aussagekraft einer soliden Erkundung, die die Belastungssituation eines Bauwerkes verlässlich erfasst. Die neue Richtlinie bietet dies.

Ich würde mich darüber hinaus persönlich freuen, wenn wir mit der Veröffentlichung des Weißdrucks einen kleinen Beitrag dazu leisten, das Thema Asbest sowie andere Gebäudeschadstoffe wie PCB, KMF und PAK als Standardmodul in jedem Planungsprozess und überhaupt im Bewusstsein aller Beteiligten zu verankern. Nicht als Schmuddelkind, sondern als integrierter Teil einer an Energieeffizienz und recyclingorientierten Kreislaufwirtschaft orientierten Immobilienwirtschaft. Wir hatten noch nie einen so reich bestückten Werkzeugkasten für den professionellen Umgang mit dieser Herausforderung – wenn wir ihn stets mitführen und nutzen, retten wir Menschenleben.

 

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