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Stephan Maly

Sector Leader Technology

Rechenzentren gelten bislang nicht als Pioniere in Bezug auf Dekarbonisierung und Klimaschutz. Arcadis-Experte Stephan Maly erklärt im Interview, warum sich ihr schlechter Ruf schon in naher Zukunft disruptiv verändern könnte.

Frage: Stephan, Rechenzentren standen in der Vergangenheit nicht im Ruf, die Speerspitze bei der Entwicklung industrieller Net Zero Technologien zu bilden. Wie ist die Branche heute positioniert in diesem Kontext?

Antwort: Das ist in der „historischen“ Perspektive sicher richtig. Man muss dabei natürlich den unglaublichen Wachstumsdruck in der Vergangenheit in Rechnung stellen. Die Nachfrage nach cloudbasierten Rechenkapazitäten ist exponentiell gestiegen und weder der private Streamer noch der professionelle Colocation-Kunde wollte und will auf diese IT-Ressourcen verzichten. Was den heutigen Status quo angeht, kann ich mir aktuell kaum einen Sektor vorstellen mit vergleichbarer Transformationsdynamik in Bezug auf Energieeffizienz, Carbon Footprints und Nachhaltigkeitsbilanzen. Net Zero Data Center sind ein absolutes Top-Thema in der Branche, an dem niemand vorbeikommt.

Frage: Was bedeutet das konkret? Kannst du uns Beispiele aus der Praxis skizzieren?

Antwort: Die Projekte, an denen unsere Teams beteiligt sind, lassen sich grob in drei Kategorien bzw. Zeitskalen einteilen. Da wären erstens die visionären Greenfield-Konzepte, in denen alles integriert wird, was intelligente Gebäude- und Anlagentechnik und -steuerung in absehbarer Zukunft möglich machen, kombiniert mit multifunktionalen Nutzungskombinationen, die sich energetisch ergänzen. Die zweite Kategorie sind neue Data Center mit einem Realisierungshorizont von wenigen Jahren, deren Effizienz mit der intelligenten Implementierung von Standardtechnologien und energetischer Vernetzung optimiert wird. Die dritte Kategorie ist die Effizienz-Optimierung von Bestands-Rechenzentren, die bereits in Betrieb sind. Auch hier offenbaren sich noch erstaunliche Optimierungspotenziale, die manchmal unterschätzt werden.

Frage: Fangen wir mit der „visionären“ Klasse an. Was ist da konkret in der Entwicklungspipeline?

Antwort: Ein Beispiel: Unsere US-Kolleg*innen liefern im kalifornischen San José ein interdisziplinäres Planungs- und Beratungspaket für ein Rechenzentrum der neuesten Generation. Die Eckdaten: Einsatz modernster Brennstoffzellen statt klassischer Notstrom-Aggregate, wärmetechnische Kopplung der Brennstoffzellen an die Server-Kühlung, Nutzung des CO2- und H2O-Outputs aus den Zellen in einem angeschlossenen HiTech-Gewächshaus, dessen Produkte regional vermarktet werden sollen. Maximale Resilienz und harmonische lokale Integration, Kreislaufwirtschaft im Kleinformat, kombiniert mit einem minimalen CO2-Fußabdruck. Da entsteht ein Leuchtturmprojekt, das Maßstäbe setzen wird im Sektor.

Frage: Wenn ich dich richtig verstanden habe, haben die Neubauprojekte der zweiten Kategorie nicht den ganz großen visionären Anspruch, zeigen aber, was im „Alltagsgeschäft“ der Data Center-Planung heute schon möglich ist.

Antwort: Genau. Auch hier ein Beispiel: Wir sind in die Planung eines Data Center im Rhein-Main-Gebiet involviert, dass auf einem stillgelegten Industriestandort entsteht. Konkret wird dabei ein großer Teil der Gesamtfläche entsiegelt und bepflanzt, darüber hinaus die Serverkühlung ans kommunale Fernwärmenetz gekoppelt. Hier fließen in die Nachhaltigkeitsbilanz also Faktoren ein wie Flächenbilanzen und Abwärmenutzung im lokalen Verbund. Gerade die Konversion und Revitalisierung urbaner Brachflächen für Rechenzentren lässt sich perfekt kombinieren mit energetische Abwärmenutzung. Ein klassischer Synergieeffekt im Sinne des Klimaschutzes.

Frage: Kommen wird zur dritten Kategorie, den Bestands-Data Centers. Was ist da nach Inbetriebnahme realistischerweise noch zu holen in Bezug auf Klimabilanzen und Carbon Footprints?

Antwort: Viel mehr als man vielleicht erwarten würde. Der Erfolgsfaktor ist hier, technische Expertise mit betriebswirtschaftlichem Know-How zu verbinden. Das Beispiel: Wir entwickeln aktuell eine Net Zero Strategie für einen Standort in Amsterdam, der von einem global aufgestellten Cloud-Dienstleister betrieben wird. Solchen Herausforderungen nähern wir uns dann mit feinem, analytischem Instrumentarium. Wir bewegen uns in diesen Fällen in Begriffswelten, die von Marginal Abatements Costs, Power Usage Effectiveness (PUE), CapEx, OpEx, RECs, SBTis und BAU-Forecasts geprägt sind. Diese akribische Detailarbeit schafft dann eine Grundlage für Modernisierungsprogramme, die einen verlässliche Verbesserung der Nachhaltigkeitsbilanz bei definiertem Einsatz finanzieller Ressourcen bieten.

Frage: Das internationale Fachmagazin „DataCentre“ hat Arcadis jüngst eine Top-Platzierung verliehen in einem Ranking der besten Consultants für die Konzeption, Planung und Realisierung von DC-Infrastruktur. Nehmen wir die Auszeichnung zum Anlass, zum Abschluss unseres Gesprächs kurz darüber zu sprechen, wie Arcadis in diesem Marktsektor global und in Deutschland aufgestellt ist …

Antwort: Wie das immer so ist bei solchen Rankings: Man freut sich über die Früchte der gemeinsamen Anstrengung, aber sie triggern auch den Ehrgeiz, weiterhin Champions League zu spielen. Wir können bei Arcadis auf eine Kombination von Alleinstellungsmerkmalen bauen, die uns perfekt positionieren für die Transformation der Welt der Rechenzentren: Nachhaltigkeits-Expertise, Digitalisierungs-Fokus, interdisziplinäre Fähigkeiten und globale Präsenz. Es ist Teil unserer DNA als Unternehmen, bei solchen Herausforderungen nicht nur im Mittelfeld mitzulaufen, sondern als Pioniere den Weg zu bereiten. In Deutschland folgen wir diesem Anspruch mit unserem Engagement in Forschungsinitiativen wie DC2HEAT und BYTES2HEAT, die sich unter anderem mit der KI-gestützten Optimierung der Abwärmenutzung beschäftigen.

Frage: Zurück auf Start: Ist das Net Zero Data Center also eher Vision als Illusion?

Antwort: Definitiv eine positive Vision, deren Realisierung gar nicht so weit entfernt ist. Und Arcadis ist ein extrem spannendes Wirkungsfeld für Menschen, die den Weg dahin aktiv mitgestalten wollen.