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Natalie Sauber

Market Intelligence Lead

Wasserstoff ist in aller Munde – dabei ist die Treibstoff-Alternative keineswegs eine neue Idee. Bereits 1874 sprach Science-Fiction-Autor Jules Verne von Wasserstoff als unerschöpflicher Energiequelle, und inspiriert seither gleichermaßen Regierungen und Unternehmer. Während der Ölkrise in den 1970er Jahren tauchte Wasserstoff erneut als potenzieller alternativer Kraftstoff für Autos auf, und im Jahr 2003 kündigte George Bush, nachdem erste besorgte Stimmen mit Blick auf den Klimawandel laut wurden, Wasserstofffahrzeuge an. Jetzt, 147 Jahre nach Vernes berühmtem Roman "Die geheimnisvolle Insel", und in einer Zeit, in der die Klimaveränderung durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern offensichtlich wird, steht Wasserstoff erneut im Rampenlicht.

Wasserstoff als Energiequelle

Wasserstoff ist das leichteste Element im Periodensystem und macht fast 90 % der gesamten Materie im Universum aus. Auf der Erde kommt Wasserstoff praktisch nicht in reiner Form vor, sondern fast ausschließlich in Verbindungen mit anderen Elementen. Es kann komplexe Moleküle bilden, z.B. organische Verbindungen in Pflanzen und Tieren. Große Mengen an Wasserstoff sind in der Natur in Form von Erdgas und Erdöl gespeichert. Für die Produktion von reinem Wasserstoff werden aktuell fast ausschließlich fossile Quellen verwendet. Diese Verfahren sind zwar kostengünstig, bieten aber keinen Vorteil für die Klimabilanz. Bei der Produktion wird genauso viel klimaschädliches CO₂ freigesetzt wie bei der direkten Verbrennung der Ausgangsstoffe Erdgas und Erdöl.

Durch die Verwendung von Biogas als Ausgangsstoff und erneuerbaren Energien für den Betrieb der Anlagen, könnte die Ökobilanz bei diesem Verfahren verbessert werden, bietet aber keinen Vorteil gegenüber der direkten Verbrennung von Biogas.

Weit vielversprechender ist die Gewinnung von Wasserstoff aus Wasser. Bei der Aufspaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff mit Hilfe von Elektrolyse entstehen keine Treibhausgase, es werden nur große Mengen an Elektrizität benötigt. Bei den aktuellen Stromkosten ist dieses Verfahren zwar nicht wirtschaftlich, kann aber bei einer veränderten Kostenstruktur eine sinnvolle Methode sein um Energie klimaneutral zu speichern und für eine globale Mobilität nutzbar zu machen.

Um aus Wasserstoff wieder Strom zu erzeugen, reagieren Wasserstoff und Sauerstoff dann über einen Protonenaustausch in einer elektrochemischen Zelle, ähnlich wie bei einer Batterie. Dieser Prozess erzeugt elektrischen Strom, geringe Wärmemengen und Abgaswasser, was ihn zu einer sehr sauberen Energiequelle ohne Kohlenstoff-Emissionen macht. Gegenüber der Akku-Technik hat Wasserstoff als Energieträger drei entscheidende Vorteile: Die Betankung dauert nur wenige Minuten, der Wasserstoff wiegt nur wenige Kilogramm und der Strom steht auch bei tiefen Umgebungstemperaturen zuverlässig zur Verfügung.

Wasserstoff und Personenfahrzeuge

Mit Wasserstoff betankte Fahrzeuge fahren mit Elektromotoren, genauso wie batterieelektrische Fahrzeuge. Statt mit einem Akku, wird der Strom über eine Brennstoffzelle erzeugt. Auf Grund der Vorteile von Wasserstoff als Energiespeicher investieren Automobilhersteller und Energiekonzerne in diese Technologie – wenn auch verhalten, da die Klimabilanz des industriell verfügbaren Wasserstoffs noch ungünstig ist.

Bis jetzt gibt es nur drei Brennstoffzellen-Elektrofahrzeuge in ausgewählten Märkten: Toyota Mirai, Hyundai Nexo und Honda Clarity. Der Mangel an Investitionen und Entwicklung hat dazu geführt, dass die Fahrzeugkosten im Vergleich zu Alternativen hoch bleiben. Das macht Wasserstoff zu einer weniger attraktiven Wahl für Verbraucher.

Ein wichtiger Baustein für die Akzeptanz von Wasserstoff als Kraftstoff für Fahrzeuge ist ein flächendeckendes Tanknetz. Die dafür notwendigen Investitionen werden in Deutschland durch den Staat gefördert. Im Mai verkündete Wirtschaftsminister Peter Altmaier, dass Deutschland mehr als 8 Milliarden Euro in die Finanzierung von Wasserstoff-Großprojekten investieren wird. Insgesamt 62 deutsche Projekte sollen im Rahmen der europäischen Wasserstoff-Allianz gefördert werden. Es sind Investitionen in die Zukunft, mit der Annahme, dass Wasserstoff schon bald kostengünstig und klimaneutral hergestellt werden kann.

Wasserstoff für Busse und größere Nutzfahrzeuge

Ein Grund für die staatliche Unterstützung der Wasserstoff-Technologie ist der prinzipielle Nachteil von batteriebetriebenen Fahrzeugen bei hohen Nutzlasten und langen Betriebszeiten. Das hohe Gewicht der Akkus und die langen Ladezeiten macht den Betrieb unwirtschaftlich. Wasserstoff kann hier eine sinnvolle klimaneutrale Alternative sein.

Im deutschen öffentlichen Personennahverkehr wird seit Anfang der 2000er-Jahre Wasserstoff in Bussen genutzt und kommt mittlerweile auch in Personenzügen zum Einsatz (Quelle: NOW GmbH). Der Einsatz von Wasserstoff-Bussen nimmt allmählich Fahrt auf. 2020 hat sich die Zahl der neu zugelassenen Linienbusse mit H2-Technik verdoppelt – auf 50 Einheiten in Europa (Quelle: Welt.de).

Wasserstoff und Lkw

Obwohl Lkw nur 2 Prozent der Fahrzeuge in der EU ausmachen, sind sie für 22 Prozent der Kohlenstoffemissionen im Straßenverkehr verantwortlich, so die Lobbygruppe Transport and Environment. Europas Lkw-Hersteller wollen zusammenzuarbeiten, um die richtigen Bedingungen für die Einführung von Wasserstoff-Lkw auf dem Massenmarkt zu schaffen. Iveco, Daimler und Volvo haben sich mit den Energieunternehmen Shell und OMV zu H2Accelerate zusammengeschlossen, um Wasserstoff-Lkw auf dem gesamten Kontinent zum Durchbruch zu verhelfen.

In der Schweiz hat Hyundai mit der Auslieferung seiner XCIENT- Brennstoffzellenfahrzeuge begonnen, mit einem geplanten Rollout von 1.600 LKWs bis 2025. Die Lkw werden von einer 190-kW-Wasserstoff-Brennstoffzelle angetrieben und haben eine Reichweite von ca. 400 km mit einer einzigen Ladung.

Eine mögliche Lösung für das derzeitige "Henne-Ei"-Problem der Förderung der Wasserstoffversorgung und der Entwicklung neuer Wasserstofffahrzeuge könnte die Schaffung von "Wasserstofftransport-Clustern" sein. Dabei geht es darum, Industrieregionen mit erheblichem Bedarf an straßengebundenem Gütertransport den Zugang zu kostengünstigem, klimaneutralem Wasserstoff zu ermöglichen.

Shell und ITM Power entwickeln derzeit ein Betankungsnetz für Wasserstoff-LKWs sowie Busse, Züge und Schiffe für Großbritannien, aber es ist noch ein langer Weg bis dahin. Da keine nennenswerte Verteilungsinfrastruktur vorhanden ist, könnte es noch mindestens 5 bis 10 Jahre dauern, bis Wasserstoff in großem Maßstab für Schwerlastfahrzeuge eingesetzt werden kann.

Es wird oft argumentiert, dass reine Elektrofahrzeuge für kürzere Reichweiten eingesetzt werden, während Biokraftstoffe auf längeren Strecken Verwendung finden werden, so dass es keinen Mittelweg für Wasserstoff gibt. Die entscheidenden Faktoren zwischen Wasserstoff und Batterie sind meist betriebliche Überlegungen, wie Reichweite, Nutzlast, Betankungszeit und verfügbare Infrastruktur. Der Antrieb von Lkw mit Batterien ist keine so einfache Option wie bei Pkw, da das zusätzliche Gewicht einem Verlust an Ladekapazität von etwa 4 Tonnen oder etwa 10 % pro Lkw entspricht.

Diese großen Nutzfahrzeuge können es sich einfach nicht leisten, soviel Nutzlast zu opfern, um das Gewicht der Batterien unterzubringen.

Hürden und Herausforderungen im Wasserstoffantrieb

Damit Wasserstoff eine Chance hat, Mainstream zu werden, ist noch viel Arbeit nötig, von der Produktion bis hin zu erheblichen Investitionen in die Betankungsinfrastruktur.

Die benötigte Infrastruktur ist in Deutschland noch weit weniger entwickelt als das EV-Ladenetz. Laut H2.live wird das Basisnetz für 700 bar Betankung in den nächsten Monaten auf 100 wachsen. Die Anzahl der Ladestationen für Elektrofahrzeuge in Deutschland lag im Juli 2021 bei rund 23.800 (Quelle: Statista). Infolgedessen liegt die Verbreitung von Brennstoffzellenfahrzeugen deutlich hinter der von batterieelektrischen Fahrzeugen zurück.

Zusätzlich wird die wachsende Produktion von Wasserstofffahrzeugen von Skaleneffekten (einschließlich Automatisierung und Digitalisierung) profitieren, ein Prozess, den Benzin-, Diesel- und EV-Fahrzeuge bereits durchlaufen haben. Gleichzeitig arbeiten Wissenschaftler unermüdlich daran, den Prozess der Wasserstoffproduktion zu verbessern und haben in den letzten Jahren bereits deutliche Fortschritte erzielt. Und schließlich wird erwartet, dass die Kosten für Kohlenstoffemissionen deutlich steigen werden, was grünen Wasserstoff ebenfalls attraktiver macht.

Was würde Verne sagen?

Fast 150 Jahre nachdem Jules Verne sich zum ersten Mal eine mit Wasserstoff betriebene Welt vorgestellt hat, ist immer noch nicht klar, wie vorausschauend diese Idee wirklich war. Erhebliche Investitionen von Privatunternehmen und Regierungen in die batterieelektrische Technologie haben einige Beobachter dazu veranlasst, das Rennen um die herausragende umweltfreundliche Energiequelle für beendet zu erklären.

Während sich dieser Blog auf bemerkenswerte Entwicklungen für wasserstoffbetriebene Busse und LKWs konzentriert, könnten es die Vorteile von Wasserstoff für Schiffe und Flugzeuge sein, die Jules Vernes Vision schon in naher Zukunft bestätigen.